Nachdem Thomas Sattelberger und etliche Experten aus dem Bereich HR und Recruiting bereits an unseren Interviews teilgenommen haben, freuen wir uns nun, mit Stefanie Burgert ins Gespräch zu kommen. Stefanie Burgert ist Senior Consultant Talent Acquisition bei Axel Springer.
Bevor wir tiefer thematisch eintauchen, würden wir uns freuen, wenn du uns etwas zu deiner Person und deinem Werdegang erzählst.
Mein Name ist Stefanie, ich arbeite als Senior Consultant Talent Acquisition im Team Human Resources Digital bei der Axel Springer SE. Ziel unseres Teams ist es, die Digitalisierung des Unternehmens personalseitig zu begleiten und zu gestalten. Für unsere Kunden, die Online-Unternehmen unter dem Dach Axel Springer, organisieren wir verschiedene Best Practice-Formate und Events; wir vernetzen und informieren, beraten zu Themen wie Personalaufbau und HR-Organisation und unterstützen ganz operativ bei der Besetzung von Engpass- und Schlüsselfunktionen.
Ursprünglich bin ich nicht als Personalerin sondern als Kulturmanagerin in den Beruf eingestiegen und habe Konzepte für Events und Veranstaltungsreihen geschrieben und umgesetzt. Erst 2011 bin ich in eine Personalberatung mit Fokus IT Fach- und Führungskräftevermittlung quereingestiegen und habe mich nebenberuflich im Bereich Personalmanagement weiterqualifiziert. Parallel dazu war ich immer wieder als Dozentin und Lehrbeauftragte im Themenfeld Arbeitsmarkt, Karriere und Innovationsmanagement an der Freien Universität Berlin tätig. Bei Axel Springer arbeite ich seit März 2014.
Sicherlich hast du auch schon vom “War for Talent” gehört. Vor welche Herausforderungen werden Recruiter und Unternehmen in den kommenden Jahren gestellt?
In bestimmten Fachbereichen ist es bereits heute extrem schwierig, gute Mitarbeiter zu finden und für sich zu gewinnen, insbesondere auf Senior-Level. Zudem sind gute Kandidaten heute anspruchsvoll: Sie wollen umworben und begeistert werden und schon zum Einstieg ins Unternehmen eine klare Sicht auf die Herausforderungen, das Lernpotenzial und die Entwicklungsmöglichkeiten haben. Unternehmen müssen sich künftig viel stärker an den Bedürfnissen ihrer Zielgruppen im Kandidatenmarkt orientieren und sowohl bei der Mitarbeitergewinnung als auch bei der Mitarbeiterbindung, die richtigen Lösungsansätze für sich finden und umsetzen.
Wie bereitet ihr euch auf diese Herausforderungen vor und welche Lösungsansätze implementiert ihr gegenwärtig?
Axel Springer ist ein großer und heterogen aufgestellter Konzern mit vielen verschiedenen Recruiting-Initiativen. Ein wichtiges Projekt ist für uns beispielsweise unser externer Talent Pool, den wir für das Beziehungsmanagement und die Vermittlung externer Kandidaten nutzen. Das Pendant dazu für Mitarbeiter ist unser internes Talent Management, das sich um die passgenaue Weiterentwicklung und z.T. auch Stellenvermittlung für bereits bekannte Talente kümmert, insbesondere auf Management-Ebene. Ein neues Projekt, welches wir derzeit verfolgen, ist die Implementierung eines unternehmensübergreifenden Mitarbeiter-werben- Mitarbeiter-Programms, welches es beispielsweise einem Mitarbeiter von Bonial erlauben soll, einen neuen Mitarbeiter für idealo Internet zu empfehlen und dafür ein Empfehlungshonorar zu erhalten.
Heute gibt es unterschiedlichste Methoden potentielle Mitarbeiter zu finden. Wie sucht ihr nach Personal und welche Methode bewertest du als am erfolgreichsten?
Das eine Erfolgsrezept gibt es meiner Meinung nach nicht. Jede Position ist anders und erfordert daher auch eine andere Herangehensweise. Wir haben begonnen, die verschiedenen Recruiting-Kanäle und Personaldienstleister strukturiert auszuwerten und hoffen, aus den gesammelten KPI’s Erkenntnisse zu gewinnen, die es uns erlauben, künftig noch zielgerichteter für jede Vakanz den richtigen Mix an passiven und/oder aktiven Recruiting-Kanälen auszuwählen.
Wichtig ist – und das fehlt mir oftmals – dass das Recruiting nicht unabhängig vom Personalmarketing und Employer Branding bzw. noch genereller: von der Gesamt-HR- und Unternehmensstrategie gesehen wird. Denn die beste Methode gute Mitarbeiter zu gewinnen ist, am Markt als Unternehmen, das sich innovativ mit interessanten Themen aufstellt, präsent zu sein und gleichzeitig als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden.
Was bedeutet für dich modernes Recruiting?
Modernes Recruiting muss…
- sich konsequent an der entsprechenden Zielgruppe im Kandidatenmarkt ausrichten
- durch intelligente IT-Lösungen gestützt werden
- sich gut in die Gesamt-(HR- ) Strategie des Unternehmens einfügen
Welche Rolle spielt dabei Active Sourcing? / Welche Erfahrung hast du damit bereits gemacht?
Active Sourcing spielt für uns eine wichtige Rolle. In vielen Fällen ist es für unsere Unternehmen günstiger und auch nachhaltiger, eigene Active Sourcer einzustellen bzw. auszubilden, als ausschließlich mit externen zusammen zu arbeiten. Wir selbst rekrutieren auch aktiv und nutzen beispielsweise unseren externen Talent Pool, um bereits bekannte Kandidaten wiederholt anzusprechen.
Worin siehst du die Vor- und Nachteile von Active Sourcing?
Grundsätzlich sehe ich Active Sourcing als wichtigen Baustein des Recruitings, der überwiegend nur Vorteile bringt, etwa eine Verbesserung des Employer Brandings direkt an der „Kandidatenfront“ und die Möglichkeit, über einen schlanken Bewerbungs- und Auswahlprozess eine sehr gute Stellenbesetzung zu realisieren. Auf der anderen Seite ist Active Sourcing auch klassisches „People Business“: Wenn ein Active Sourcer das Unternehmen verlässt, birgt dies immer die Gefahr, dass er das Gros seiner Kandidatenkontakte mitnimmt. Des Weiteren ist Active Sourcing insbesondere in Hinblick auf die Recherche nach geeigneten Kandidatenprofilen eine sehr mühevolle Aufgabe, die viel Zeit kostet und die die meisten Mitarbeiter nicht langfristig ausüben wollen, zumindest nicht ausschließlich.
Was für ein technische Möglichkeit würdest du dir wünschen, um deine Arbeit zu erleichtern?
Viele Unternehmen und vor allem auch Personalberatungen arbeiten mit Kandidaten-Pools bzw. Profil-Datenbanken. Der Ansatz macht absolut Sinn, krankt aber häufig daran, dass Kandidaten, obwohl bereits bekannt und in den Pool eingeladen, nicht wieder gefunden werden. Die Such-Funktion ist umständlich, die Datensätze können nur dann richtig verarbeitet werden, wenn sie perfekt gepflegt sind – das ist ein riesen Problem. Ein weiterer Punkt ist die interne Kommunikation und Zusammenarbeit mit bereits vorhandenen Mitarbeitern. Es gibt Tools für Feedback, für Weiterbildung und Training, für Mitarbeiterbefragungen und Personalentwicklung. Aber all diese Tools modular, nach dem jeweiligen Bedarf, sinnvoll miteinander zu verknüpfen, das ist am Ende doch häufig noch sehr schwierig und gelingt nur dann in Ansätzen, wenn alles aus einer Hand erworben wird. Dann wiederum entspricht es in der Regel nicht zu 100 Prozent dem Bedarf des Unternehmens.
Abschließend noch eine Frage: Was macht dein Unternehmen so besonders?
Axel Springer ist, wie eingangs erwähnt, ein unheimlich heterogener, durch sehr unterschiedliche Online-Unternehmen und agile Arbeitskulturen geprägter sowie zunehmend internationaler Medienkonzern. Entsprechend vielfältig sind die beruflichen Optionen, die sich hier ergeben. Durch die unternehmensübergreifenden Initiativen von Konzernseite gibt es tolle Programme für Mitarbeiter, die jedes einzelne Unternehmen für sich allein in dieser Form nicht realisieren könnte, z.B. unser Silicon Valley Fellowship Programm, mit dem wir Mitarbeiter mit guten Projektideen für einige Monate nach Kalifornien schicken.