Arbeitsmarktentwicklung und Recruiting im Jahr 2022

Nach dem Wintertief folgt das Sommerhoch – so zumindest ist die Hoffnung auf dem deutschen Arbeitsmarkt in diesem Jahr. Doch reicht das, um den immer wieder beschworenen Fachkräftemangel auszugleichen? Und welche Auswirkungen hat die aktuelle Arbeitsmarktsituation auf das Recruiting?

Aktuelle Arbeitsmarktsituation in Deutschland

Aufgrund der Corona-Pandemie war im Frühjahr/Sommer des Jahres 2020 ein klarer Anstieg der Arbeitslosenquote zu verzeichnen. Inzwischen haben sich diese Zahlen wieder etwas erholt: die Arbeitslosenquote lag im Januar 2022 bei 5,4 Prozent. Auch die Prognose für das gesamte Jahr 2022 ist positiv, denn es wird mit einer weiteren Erholung der Zahlen nach dem Winter gerechnet. Insgesamt wird ein Anstieg der Beschäftigung in diesem Jahr um 1,6 Prozent erwartet.
In fast allen Branchen entstehen neuen Stellen; die größten Gewinner hierbei sind: Gesundheit, Erziehung, öffentliche Dienstleistungen, IT, Baugewerbe und Ingenieurwesen. Auch in den Branchen der Corona-Verlierer wird die Zahl der Stellen wieder leicht wachsen. Das betrifft das Veranstaltungsgewerbe, Verkehrsbetriebe, Gastronomie & Tourismus.

Berufsgruppen Nachfrage Business Insider Grafik

Die Entwicklung des internationalen Arbeitsmarktes ist in diesem Jahr ebenfalls positiv. Im Januar 2022 wurden z.B. in den USA rund 470.000 Stellen neu geschaffen; außerdem stieg dort der durchschnittliche Stundenlohn um 5,7% im Vergleich zum Vormonat.

Arbeitsmarktentwicklung bis 2030 kritisch

Der deutsche Arbeitsmarkt steht bis zum Jahr 2030 vor großen Herausforderungen: Durch den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge werden ca. 3 Millionen Vollzeitkräfte fehlen – der Fachkräftemangel wird also weiter zunehmen. Vor allem in der IT, bei öffentlichen Dienstleistungen und beim Personal im Gesundheitssektor wird es Engpässe geben. Es wird außerdem an Lehrern und Ingenieuren fehlen.
International betrachtet sieht es auf dem Arbeitsmarkt überall ähnlich aus: Es wird mit einem Fachkräftemangel in den gleichen Bereichen gerechnet; Gesundheit, IT und Ingenieurwesen.

Welche Trends gibt es für deutsche Arbeitnehmer?

Derzeit sind 37% der Arbeitnehmer offen für einen neuen Job oder sind schon aktiv auf der Suche nach einer neuen Position. Neu auf dem Arbeitsmarkt ist das Phänomen des „Big Quit“, bei dem viele Arbeitnehmer scheinbar grundlos ihren Job wechseln. Die Gründe sind allerdings eng verknüpft mit der Pandemie, während derer viele Menschen ihre Arbeitssituation hinterfragt und überdacht haben. Daraus ergaben sich oft neue Vorstellungen von Karriere oder veränderte Ansprüche an den Arbeitsplatz, die zu der erhöhten Wechselquote geführt haben.

Diagramm zu Wünschen von Arbeitnehmern nach Corona

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland in Hinblick auf offene Stellen langsam bessert. Parallel verschärft sich allerdings der Fachkräftemangel weiter, während sich die Anforderungen der Talente an ihre Jobs verändert haben. Sie gehen mit ganz klaren Vorstellungen an ihre neuen Positionen heran und möchten in diesen Bereichen keine oder kaum Kompromisse eingehen: flexible Arbeitszeiten, Möglichkeit des Homeoffice, Gestaltung der Aufgaben und Gehalt.

Herausforderungen & Chancen für das Recruiting

Was heißt das für Recruiter? Das Recruiting wird anspruchsvoller werden. Der Konkurrenz- und Zeitdruck für Recruiter steigt, denn Active Sourcing ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern bei vielen Unternehmen und auch für Personaler inzwischen fester Bestandteil der Recruiting-Strategie. Die besten Talente haben außerdem klare Ansprüche an ihre Tätigkeit und der Wettbewerb um diese Talente wird härter. Damit gibt es gestiegene Anforderungen an die Expertise des Recruitings und an eine personalisierte Candidate Experience.
Recruiter haben nun zwei Optionen: Sie werden entweder zum Spezialisten oder zum Facilitator. Die Spezialisten fokussieren sich auf bestimmte Branchen und Bereiche in ihrem Recruiting. Sie eigenen sich Fachwissen an, um Kandidaten gezielt und kompetent ansprechen zu können. Für Recruiter in einem Unternehmen, die über alle Fachbereiche hinweg offene Stellen besetzen müssen, ist dies allerdings nicht die optimale Lösung – stattdessen könnten sie eher zum Facilitator werden. Als Facilitator holen sich Recruiter die Experten aus dem eigenen Unternehmen zum Recruitingprozess dazu, und zwar die Spezialisten aus den jeweiligen Fachabteilungen.

Beispiel: Self-Service-Recruiting bei Blinklist

Vergleich von Einstellungsmodelle
Berufsbezeichnungen nach Aufgabenbereich Tabelle

Wie mit den Herausforderungen umgehen?

Automatisierung, Digitalisierung und Data Driven Recruiting helfen, um dem hohen Konkurrenz- und Zeitdruck entgegenzuwirken. Mit ihrer Hilfe können z.B. Prognosen zum eigenen Stellenbedarf getroffen und vorbereitend Talentpools angelegt werden.
Auch Künstliche Intelligenz (KI) hilft im Recruitingprozess, indem sie z.B. Automatisierung unterstützt bei der Job-2-Skill-Suche (bei dieser Suche werden für den Job relevante Fähigkeiten gesucht und nicht ein bestimmter Titel) oder der Job-2-Job-Suche (hier wird nach einem konkreten Job-Titel gesucht).
Außerdem kann KI bei der Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern unterstützen. Sie wird eingesetzt beim Matching bzw. automatischen Abgleich der Bewerbungen mit den Anforderungen, so dass Recruiter Zeit sparen im Auswahlprozess.
Die eingesparte Zeit kann dann wiederum in den Hiring-Prozess investiert werden, um so eine bessere Candidate Experience zu erreichen. Auch hier kann Digitalisierung durch z.B. Chat Bots unterstützen, die allgemeine Fragen beantworten und Basisinformationen geben können. Darüber hinaus können weitere Faktoren, wie Gamification oder Virtual Reality in den Recruitingprozess eingebunden werden – hierzu lest gern unseren entsprechenden Blogartikel.

Schlussendlich muss Recruiting als Unternehmensaufgabe gesehen werden, bei der eine ganzheitliche Recruitingstrategie entwickelt wird und kollaborativ über Fachabteilungen hinweg zusammengearbeitet wird. So kann euer Recruiting den Herausforderungen des Marktes auch im Jahr 2022 erfolgreich begegnen.

Euer Talentwunder-Team